Ich sehe was, was Du nicht siehst…
1. Oktober 2015 | n.hasch@backauf.deIch sehe was, was Du nicht siehst…
Betreuung und Umgang mit blinden und sehbehinderten Patienten
Workshop im Roten Pavillon 22.9.2015
Der Förderverein für Menschen im Regio Klinikum e.V. hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, das Elmshorner Klinikum gerechter für Blinde und sehbehinderte Patienten zu gestalten. Ein wichtiger Baustein sind dabei die Regio-Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer der „grünen“ Damen und Herren.
Nachdem im letzten Jahr eigene Erfahrung beim Hamburger „Dialog im Dunkeln“ gesammelt wurden, ging es diesmal darum, uns für Patienten und Besucher des Klinikum mit Sehbehinderungen zu sensibilisieren und vorhandenes Wissen zu ergänzen.
Claus Bernhard ist Rehabilitationsfachlehrer und Berater im Beratungsdienst Blickpunkt Auge und daher im täglichen Umgang mit Menschen mit Sehbehinderungen geübt. Er erläuterte zunächst die Hintergründe der wichtigsten Augenleiden.
Bei der Makula-Degeneration trübt sich das Blickfeld nach und nach ein, weil die für die Weiterleitung zuständigen Nervenzellen im Augenhintergrund ausfallen, bzw. durch Verunreinigungen überlagert werden. Diese trockene Makula-Degeneration ist eine Alters-erscheinung die sich derzeit medizinisch kaum aufhalten lässt. Droht allerdings der Übergang zur feuchten Makula-Degeneration, weil der Körper versucht, die Sichtbehinderung durch weitere Blutaderzuführungen zu kompensieren, kann dieser Prozess durch Spritzen verzögert werden, da weitere Adern (die bei anderen Wundheilungen sehr hilfreich sind) beim Auge das ohnehin eingeschränkte Sichtfeld noch zusätzlich behindern.
Beim Glaukom, welches meist durch erhöhten Augeninnendruck gekennzeichnet ist, verhindern Verunreinigungen das Abfließen von Flüssigkeiten aus dem Augeninneren. Der entstehende Druck führt zu Beeinträchtigungen der Sehnerven und dadurch zu Sehstörungen. Diagnostiziert wurd dies zumeist durch zuzahlungspflichtige Augeninnendruckmessungen des Augenarztes. Da es aber auch Glaukome mit Normaldruck gibt, gab Herr Bernhard den Hinweis zur Vorsorge statt der Druckmessung lieber die Leistungsfähigkeit des Augenhintergrundes zu messen.
Der Graue Star oder Katarakt, also Eintrübungen der körpereigenen Linsen lassen sich gut behandeln und mit einem vergleichsweise kleinen Eingriff durch Kunstlinsen ersetzen.
Ein besonderes Phänomen ist das Charles-Bonnet-Syndrom, das darauf beruht, dass unser Gehirn fehlende Informationen der Augen stets versucht intelligent zu kompensieren. Im Normalfall werden passende Bildinhalte ergänzt. Fehlen allerdings größere Sichtanteile, werden bei be-troffenen Personen komplette Bildinhalte aus früheren Seherfahrungen hinzugefügt, der Mensch sieht also etwas, was Normalsichtige nicht sehen, weil es im wahrsten Sinne des Wortes auf Ein-Bildung beruht. Diese Halluzination kann nur durch den Betroffenen selbst aufgelöst werden, wenn er versucht, die ergänzten Bildgegenstände anzufassen, weil dann die Illusion offenbar wird. Wichtig ist, zu erkennen, dass manche Halluzinationen eben kein Fall für die Psychatrie, sondern für den Augenarzt sind.
Die theoretischen Erläuterungen wurden durch verschiedene Brillen illustriert, die unterschiedliche Seheinschränkungen simulierten und die Wege, die es vom Roten Pavillon zur physikalischen Therapie oder das Begehen des Treppenhauses erheblich erschwerten. Da hier die Hilfe einer Begleiterin erforderlich war, konnte auch das Führen eines stark Sehbehinderten oder Blinden in einer weiteren praktischen Workshop-Einheit geübt werden.
Fazit: Claus Bernhard versteht es, Menschen mit hoher Fachkompetenz und viel Freude an Sorgen und Nöte sehbehinderter Menschen heranzuführen.
Vor allem empfahl er im Umgang mit betroffenen Patienten zunächst zu erfragen sei, welche Hilfen überhaupt gewünscht werden, da Hilfsbedürftigkeit und Hilfsbereitschaft individuell höchst verschieden sind. Zudem ist auch der Stand der persönlichen Verarbeitung des Handicaps von Mensch zu Mensch anders.
Fazit:
„Ein lohnenswerter Workshop, den wir in dieser Form sicher ein weiteres Mal im kommenden Jahr anbieten werden“, so Holger Niemann, Schatzmeister des Fördervereins als Resümee des Workshops 2015
Holger Niemann
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